Mirjam Richner hat sich für ihren Roman mit dem Titel «Splitter» ein schwieriges Thema vorgenommen und setzt es überzeugend um: Sie spielt in einer literarischen Versuchsanordnung durch, wann Selbstbeobachtung und Sprachobsession ins Wahnhafte abdriften. Oder, anders gesagt, wann der Kontrollverlust aus- und die Symptomatik der Demenz einsetzt. Ernst Walther, ein Mann reiferen Alters, der von Natur aus sehr empfindsam scheint, überlegt sich, was geschähe, wenn er seine Frau glauben liesse, er sei dement geworden. Der erste Teil des Romanprojekts ist denn auch mit «Das Experiment» überschrieben. Das verleitet zu dem Glauben, Ernst Walthers Verhalten, seine Sprachobsession, seine Eigenwilligkeiten geschähen vorsätzlich, weil er sich seiner Frau wie überhaupt seinem Leben entfremdet hat. Schon bald schleichen sich Zweifel ein. Womöglich täuscht sich der Protagonist. Durch diese Unklarheit gewinnt der Roman eine tragische Spannung. Das Aargauer Kuratorium zeichnet dieses inhaltlich und sprachlich hoch interessante Projekt mit einem Werkbeitrag aus. Daniel Goetsch

 

 

MIRJAM RICHNER, *1988, Aarau, Literatur, Werkbeitrag CHF 20’000. mirjamrichner.com

Visuals: Porträtbild © Anna Kardos